Yoga passiert nicht nur auf der Matte. Tatsächlich beginnt der 8-gliedrige Pfad des Yogas, beschrieben von dem Weisen Patanjali, mit zwei Schritten bevor es an die eigentliche Praxis von Asanas (Körperübungen) und Pranayama (Atemübungen) geht und von dort aus weiterführt. In den ersten zwei Stufen – pre-Asana – geht es vor allem um unsere Einstellungen die unsere Handlungen im täglichen bestimmen und wie wir mit uns selber und anderen umgehen. Diese Prinzipien des Verhaltens sind zusammengefasst in den Yamas und Niyamas, und wie sehr wir diese integriert haben zeigt sich in unserer Asana, Pranayama und Meditationspraxis auf der Matte. Wir können uns sicher sein, dass was wir die Einstellungen die wir in unser tägliches Leben bringen, auch auf der Matte wiederfinden werden.
Viel zu oft gehen wir auf unsere Matte mit einem bestimmen Ziel im Kopf; wir arbeiten entweder an einer bestimmten Pose, wollen vielleicht eine dieser “schrecklichen” Balance Posen meistern, tiefer in eine Vorwärst- oder Rückwärstbeuge gehen, jede Pose perfekt ausführen, flexibler oder stärken werde, etc. etc. Oder aber, wir sagen uns selber, dass wir schon lange verstanden haben, dass Yoga nicht nur physisch ist und so wollen wir uns durch unsere Praxis “nur” besser fühlen – emotional und/oder mental. Unser Ziel ist es, was auch immer uns im Moment beschäftigt einfach fallen zu lassen um zu einem friedvollen Zustand zurück zu kehren, in dem wir uns um nichts Sorgen machen müssen. Egal ob unsere Ziele physisch, emotional oder mental sind, es ist nicht falsch an ihnen. Wo wir aber vielleicht ins Schleudern kommen, wenn wir uns in diesen Zielen verstricken und sie schon fast obsessiv verfolgen. Wenn wir mit unseren Gedanken schon längst “dort” sind, können wir nicht mehr “hier” sein. Und der beste Weg nie “dort” anzukommen, ist die Unfähigkeit “hier” zu sein.
Deshalb finden wir nun unter anderem in der zweiten Stufe des Yoga, Niyamas, das Konzept von Santosha, Zufriedenheit. Santosha ist Perfektion in dem scheinbar Unvollkommenen zu sehen, den Trost in dem Untröstlichen und die Zufriendenheit in Mitten eines Geistes der voll von Wünschen, Begierden, Wollen und Konditionen ist, zu finden. Santosha ist sich dem Moment hinzugeben, egal wie unerträglich er erscheinen mag. Santosha ist radikale Akzeptanz – von uns selber und anderen; und Santosha heißt auch Dankbarkeit in jede Situationen in der wir uns befinden, zu bringen. Was wäre wenn – egal ob wir es logisch verstehen können oder nicht – alles in diesem Moment genau so ist, wie es gerade sein soll und unsere einzige Aufgabe ist nur Akzeptanz zu üben und zufrieden zu sein mit dem was ist?
Das ist die Kraft von Zufriedenheit – eine wirkungsvolle Kombination aus Akzeptanz und Dankbarkeit – die Transformation herbeibringt. Je länger wir etwas Widerstand geben – mögen es unsere derzeitigen physischen Limitationen sein, unangenehme Gefühle oder schwierige Situtation – und wünschen dass es anderes ist als es es gerade ist, desto länger stecken wir in dem fest. In dem Moment in dem wir Akzeptanz und vielleicht sogar Dankbarkeit finden können, werden wir frei. Nicht weil die äußeren Umstände sich geändert haben, sondern weil unsere innere Reaktion zu dem Äußeren sich geändern hat. Nur dann können diese äußeren Umstände keine Macht mehr über uns und wie wir unser Leben betrachten, haben. Dann finden wir Zufriedenheit – ganz gleich was passiert. In den Yoga Sutras steht geschrieben “santosat anuttamah sukhalabhah” – “Aus Zufriedenheit entsteht höchstes Glück” (Sutra 2.42). Das heißt höchste Glück ist nicht, wenn die äußeren Umstände unseren Erwartungen entsprechen, sondern entsteht wenn wir unabhängig von diesen Umständen ein Gefühl von Zufriedenheit kultivieren.
Das nächste Mal wenn du also auf die Matte steigst, sei vielleicht dankbar für das, was dein Körper alles kann, anstatt die Perfektion in der Asana zu suchen. Und wenn du dich in einer schwierigen Situation wieder findest und deine Praxis dazu benützen willst diese Emotionen die wir normalerweise als negative betrachten los zu lassen, wieso freundest du dich nicht mit ihnen an? Egal ob es Depressionen, Schwere, Trauer, Wut, Traurigkeit, Verlust, oder Verwirrung ist, schau nicht weg. Wünsche sie dir nicht weg oder tue nicht so als wären sie nicht da. Sei mit ihnen, atme, und finde Dankbarkeit auch für die “negative” Gefühle. Du kannst etwas von ihnen lernen. Sie sind da um dich wissen zu lassen, dass du ein Mensch bist – in der Lage zu lieben und verbunden zu sein, ansonsten würden wir keinen Schmerz spüren. Nur wer die Dunkelheit kennen lernt, kann wissen was das Licht ist. Durch die eigene Dunkelheit zu gehen, die eigenen “inneren Dämonen” zu umarmen erlaubt uns authentischer und ehrlicher zu sein und anderen mit mehr Mitgefühl zu begegnen. Das heißt Zufriedenheit zu üben, egal wo wir gerade stehen, ermöglich uns, uns mit anderen zu verbinden. Und das ist die eigentliche Yoga Praxis – Einheit, Verbundenheit.
Namaste!
von Carina Hilmar