Der Weg des Yogas ist ein Weg Schmerz zu transformieren und Leiden zu überwinden. Die yogische Philosophie sieht die Grundursache von Leiden, Klesha in Sanskrit, in der Illusion der Trennung; das heißt die Illusion das wir von einander und von dem Leben um uns herum getrennt sind. Diese Trennung beginnt in uns selber, wenn wir uns vor unseren eigenen Gefühlen, unseren Bedürfnissen und Wünschen, unserer eigenen Wahrheit, Kreativität, Inspiration und Intuition verschließen. Diese Trennung beginnt, wenn wir von uns selber glauben nicht gut genug oder liebenswürdig genug zu sein und wenn wir uns selber kritisieren. Das wir uns so behandeln mag von alten Wunden und aufgestauten Gefühlen kommen, die tief in uns vergraben sind. Doch viel zu oft, anstatt uns unseren Verletzungen zu stellen und unsere “inneren Dämonen” kennen lernen zu wollen, werden diese ein Nährboden für unser Leiden, weil sie bestimmen wie wir über uns selber denken und in weitere Folge, wir wie uns verhalten. In diesem Zustand der Trennung von uns selber ist es auch schwierig bedeutungsvolle Beziehungen mit anderen einzugehen, Liebe zu geben und zu nehmen, und eine tiefe Verbundenheit mit allem was uns umgibt zu spüren. Wir fühlen uns vielleicht leer und das Leben mag uns bedeutungslos erscheinen.
Nun beginnen wir uns vielleicht auf die Suche zu machen wie diese schreckliche Leere gefüllt und der Schmerz, der die Trennung kreiert hat, gelindert werden könne. Dadurch entsteht der Kreislauf, dass wir entweder nach Dingen verlangen die uns von diesem Schmerz ablenken würden, oder wir versuchen von uns zu schieben, was uns mit diesen Wunden konfrontieren würde. So begehren wir zum Beispiel Aufmerksamkeit von anderen, Beziehungen, Sex, Alkohol, Drogen, Essen, materielle Dinge, Arbeit, etc. etc. um momentan diesen Schmerz zu stillen aber in Wirklichkeit kreieren wir nur noch mehr Leiden, weil die Trennung durch das Benützen dieser Dinge nur noch größer wird. Dieses Verlangen und Ablehnen wird in der yogischen Philosophie als raga und dvesha bezeichnet.
Da für viele von uns dieses endlose Streben nach Vergnügung und Ablehnen von Schmerz so vertraut ist und der einzige Weg, wie wir wissen unser Leben zu leben, ist unsere gesamte Identität auf diesem ewigen Kreislauf von Verlangen und Ablehnung, und das Gefühl der Trennung aufgebaut. Dieser Teil von uns, der glaubt, dass das nun mal ist wer wir sind und das dieses Streben nach Glück und das Vermeiden von Schmerz ist, was unser Leben ausmacht, ist unser Ego. Diese Identifikation wird Asmita genannt und auch diese Identifikation ist ein Teil unseres Leidens, unserer Klesha. Wenn wir uns nun von diesem Leiden, welches wir Tag ein Tag aus aufs Neue kreieren, befreien wollen, dann bietet uns Yoga einen Weg.
Durch unsere Yoga Praxis können wir langsam aber sicher lernen in Kontakt mit unseren tiefen Wunden und unserer Trauer zu kommen, und wir bekommen die Werkzeuge einfach mit all diesen Gefühlen die sich zeigen mögen, zu sein und erlauben ihnen so sich frei zu setzen. Wir lernen in den Momenten der scheinbar größten Qual unsere Atmung ein zu setzten um in der Geborgenheit der Gegenwart zu bleiben. Durch unsere Asana Praxis lernen wir auf uns selber Acht zu geben in dem wir nichts forcieren, und zugleich beginnen wir uns selber zu vertrauen, wenn wir uns sanft an unsere Grenzen herantasten und diese sich auflösen. In unserer Meditation lernen wir, dass wir weder unsere Gedanken noch unsere Gefühle sind, weil wir ihnen einfach zu schauen können. Und schlussendlich finden wir Schutz in dem Loslassen, das Savasana bedeutet. Unsere harte Schale, die wir uns vielleicht als Schutz zugelegt haben, wird Stück für Stück von heilenden Klängen des Chantens gelockert, bis wir uns so sicher fühlen irgendwann ganz auf zu machen. Die yogische Philosophie bietet dann das intellektuelle Verständnis der Weisheiten die sich uns durch unsere Praxis offenbaren. Langsam aber sicher werden wir beginnen das Ziel von Yoga zu verstehen; von der Sanskrit Wurzel yuj, Verbundenheit. Verbundenheit, Einheit als Antwort auf unser Leiden, dass durch Trennung entstand. Wenn wir mit uns selber eins werden, könne wir beginnen mit der Welt eins zu sein.
von Carina Hilmar